Chänzeli Ennetbaden #512

Chänzeli Ennetbaden Landschaft, Natur und Umwelt, Kultur und Freizeit, Therme und Sport 5408 Ennetbaden

Im Oktober 1994 ist mit der Neuerstellung eines Pavillons auf dem Geissberggrat ein mit der Kurorttradition eng verbundener Aussichtspunkt wiederbelebt worden. Rund um die Badener Klus existierten vor rund hundert Jahren mehrere solcher «Chänzeli». Sie waren, integriert in ein ausgedehntes Wanderwegnetz, während der Belle Epoque fester Bestandteil des Therapieangebots. Das «Chänzeli» in Ennetbaden wird dieser Aufgabe bis heute gerecht und bietet ein Ort zum Ausruhen auf einem gedeckten Aussichtspunkt mit Sitzbänken.

Im «Schweizer Kur-Almanach 1886» heisst es: «in neuester Zeit ist in Baden auch eine Station für Terrainkuren zur Behandlung bestimmter Formen von Circulationsstörungen (Klappenfehler, Herzschwäche, Fettherz etc.), Gicht, Rheumatismus, Fettsucht etc. unter Prof. Oertels zuvorkommenden Ratschlägen gegründet worden.» In einer ausführlichen Broschüre mit topografischer Karte und Tabellen seien die verschiedenen «Excursionsgebiete» aufgeführt, mit «den Distanz- und Steigungsverhältnissen der einzelnen Wege, welche den einzelnen Kuranden zur methodischen Begehung angewiesen werden sollen». Die Krönung solcher therapeutischer Spaziergänge an die Bergflanken der umliegenden Höhen war, das ist leicht nachzuvollziehen, das Ausruhen auf einem gedeckten Aussichtspunkt mit Sitzbänken.

Auf dem Geissberg stand schon vor der Jahrhundertwende ein solcher Pavillon. Dies ist zu schliessen aus den Akten des «Verschönerungsvereins Ennetbaden». Anlässlich der Gründungsversammlung dieses Vereins im April 1904 hielt der Aktuar im Protokoll fest, es habe einen gleichnamigen Verein vor Jahren bereits einmal gegeben. «Der Aussichtspunkt Geissfluh und viele Bänke zeugen von seinem Wirken.» Der Verein sei wegen mangelnder Beteiligung seitens der Bevölkerung aber «bald wieder eingegangen». Später sei ein Verschönerungsverein Baden-Ennetbaden gegründet worden, dem eine grössere Anzahl Einwohner von Ennetbaden beigetreten seien. Dieser habe sich jedoch nur den Interessen von Baden gewidmet. und zwar «in so einseitig egoistischer Weise, dass die Mitglieder vom rechten Limmatufer austraten».

Bereits in seinem zweiten Jahr beschloss der neugegründete Verein, den Weg zur Geissfluh auszubessern, den Wegweiser neu zu erstellen und das Häuschen auf dem Grat zu renovieren. Gleichzeitig liess er einen Weg über den Grat anlegen. Der Verein, der nach Statuten die «Förderung des Kurortes» und die «Verschönerung der Umgebung» bezweckte, sorgte in den folgenden Jahren für die Aufstellung und Instandstellung einer ganzen Reihe von Ruhebänken und für die Schaffung neuer Wander- und Spazierwege. Allerdings liessen die bescheidenen Mitgliederbeiträge keine grossen Sprünge zu, auch wenn die Mitgliederzahl auf über 120 kletterte. Der Verein hatte maximal ein paar hundert Franken pro Jahr zur Verfügung. Dies reichte, zum Leidwesen der Hoteliers und der übrigen kurortverbundenen Mitglieder, die sich aus der ganzen Einwohnerschaft rekrutierten, leider nicht für eine eigene Ennetbadener Orientierungsschrift. Eine solche Publikation hätte den Kurgästen alle Spazier-, Ausruh- und Aussichtsmöglichkeiten präsentieren sollen. 1908 musste dieses Projekt wegen zu hoher Kosten fallengelassen werden. Dafür ging man im gleichen Jahr daran, auf einem ebenen Platz unterhalb des Schartenfels einen weiteren Aussichtspunkt einzurichten. Für den Zugangsweg und für eine Bank wurden 97 Franken verausgabt. Ein Pavillon an diesem Ort, veranschlagt auf 400 bis 450 Franken, wurde wegen zu hoher Kosten nie erstellt. Das gleiche Schicksal traf viele weitere Ideen, die an der Generalversammlung des Vereins vorgebracht wurden. So regte 1909 ein Votant an, man möge in Ennetbaden eine Wettersäule aufstellen, und ein anderer doppelte nach, wenn man so weit gehen wolle, «so sollte dann die elektrische Uhr auch nicht fehlen».

Neben den beiden Aussichtspunkten Geissfluh und Schartenblick gab es rund um den Kurort weitere Ziele für terrainkurende Spaziergänger. Das älteste und bekannteste «Chänzeli» ist jenes auf dem Martinsberggrat, das heute noch existiert. In einer Reisebeschreibung aus dem Jahr 1842 heisst es, auf diesem Grat sei «vor wenigen Jahren eine geschmackvolle Rondelle gesetzt» worden. Ein weiteres Chänzeli wird erwähnt in Carl Diebolds Beschreibung des Kurorts Baden von 1861. Es stand auf dem Kreuzliberg und war aus Holz. Diebold beschreibt es als Pavillon, ältere Einwohner erinnern sich an einen Aussichtsturm aus Birkenstämmen an dieser Stelle, der allerdings bereits seit Jahrzehnten nicht mehr steht. Als weitere Aussichtspunkte boten sich an: Die «Russenschanze» oberhalb der Fabrik Oederlin, wo die Russen 1199 ein Lager gehabt haben sollen, die Zinne der Ruine Stein, das 1837 erbaute Gasthaus Baldegg (mit Aussichtsturm), das 1857 eingerichtete Aussichtsrestaurant «Belvédère» und schliesslich das 1881 auf der Grenze zwischen Baden, Ennetbaden und Wettingen erstellte Schlösschen Schartenfels. Für den Kurort verloren infolge eines veränderten Therapieangebots die Spazier- und Wanderwege im 20. Jahrhundert an Bedeutung. Trotzdem haben die von den Vorläufern des heutigen Kur- und Verkehrsvereins, also unter anderem vom Verschönerungsverein Ennetbaden erstellten Wege Kontinuität bis heute. Als sich 1935 in Brugg die Delegierten der aargauischen Verkehrs- und Verschönerungsvereine trafen, um sich über ein koordiniertes Vorgehen bei der Beschilderung von Wanderwegen und bei der Schaffung einer Wanderkarte auszusprechen, konnten die Vertreter aus Baden und Ennetbaden auf ihre diesbezügliche reiche Erfahrung hinweisen. Aus dieser Konferenz ging schliesslich die Institution der Aargauer Wanderwege hervor, in welches Unternehmen die Verkehrs- und Verschönerungsvereine Baden und Ennetbaden all ihre Vorarbeiten beim Unterhalt und bei der Ausschilderung von Wanderwegen einbringen konnten.

Text: Fredi Wildi & Andreas Steigmeier, Ennetbadener Neujahrsblatt

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